Samstag, 17. Juli 2010

Müde

Wie kannst du nur!“, mehr Vorwurf als Frage.
Aber dir geht es doch gut, du hast alles was du brauchst, was willst du mehr?!

Ihre Freundin machte sie wütend, enttäuschte sie.
Sehr lange hatte sie überlegt, gründlich nachgedacht.
Sie hat es sich nicht leicht gemacht mit ihrer Entscheidung, sie einzuweihen, denn noch hatte sie nicht mit dem Mann darüber gesprochen.
Schlecht fühlte sie sich deswegen, hundsmiserabel.

Ich möchte so nicht mehr leben. Ich werde mich trennen, ich werde ausziehen.“ sagte sie.
Du spinnst doch, Lynn! Wie willst du denn allein zurechtkommen, hast du dir das mal überlegt? So einen Mann wie ihn findest du niemals wieder, gerade du, die du so komisch bist!

Erneut kommt die Wut in ihr hoch. War nicht sie es, die immer sagte: „Wie hältst du ihn nur aus? Wie kannst du dir das gefallen lassen?“?
Und nun diese Vorwürfe.

Sie hatte sich das Treffen anders vorgestellt, hatte darauf geachtet, mit ihrer Freundin allein zu sein, ungestört. Ohne den Sohn, den sie zwar mochte, brav und gut erzogen, der aber stets alles anfasste und die Dinge in der Wohnung nicht an ihrem Platz ließ.
Kuchen hatte sie gebacken, den Tisch schön geschmückt, gemütlich hatte es werden sollen.

Ganz vertraut hatte es sein sollen, ganz intim, nur sie und ihre Freundin.

Mit Erstaunen hatte sie gerechnet, mit Fragen, aber nicht mit Vorwürfen. Ein wenig Verständnis hatte sie sich erhofft und vor allem ihre Hilfe, denn sie weiß nur zu gut, dass sie das alles allein nicht schafft.

Die Freundin sprach, doch sie hatte Mühe, dem Gespräch zu folgen, hatte abgeschaltet, war wieder geflüchtet in ihr kleines Reich, in ihre heile Welt.
Die Zeit verstrich qualvoll langsam, bis sich die Freundin endlich verabschiedete.

Wieder allein kamen Zweifel in ihr auf.

Was habe ich mir nur dabei gedacht? Ist das Zusammenleben mit ihm denn wirklich so schlimm?

Sie schüttelte den Kopf, verscheuchte die Gedanken. Nein, schlimm war es nicht.
Nicht schlimm, aber.. gleichgültig. Teilnahmslos. Egal.

Und deswegen durfte sie sich nicht entmutigen lassen, musste weitergehen. Gleich morgen würde sie sich Hilfe holen, sich beraten lassen.

Wichtige Schritte mussten unternommen werden, eine Wohnung finden, Möbel besorgen, sie würde in Zukunft allein einkaufen, alles allein regeln müssen.

Und natürlich die Scheidung. Sie musste mit ihrem Mann sprechen, gleich morgen. Bevor es die Freundin tat. Ob sie es ihr zutraute? Nach dem „Gespräch“ von heute konnte sie es nicht ausschließen.

So viel zu tun. Sie fühlt sich müde, müde, so müde.

Ich muß endlich aufhören zu träumen, endlich der Realität ins Auge sehen. Nicht immer flüchten, nicht den Problemen mit meinen Träumerein aus dem Weg gehen.
Morgen werde ich eine Beratungsstelle aufsuchen und mir helfen lassen. Es wird schwer werden, aber ich werde es schaffen.

Wach endlich auf, Lynn, werd endlich erwachsen!
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Zuletzt aktualisiert: 2. Jan, 21:53

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